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Sozialhilfeleistungen für obdachlose Ungarin

Datum: 12.05.2016

Kurzbeschreibung: Der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg hat in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Beschluss einer obdachlosen Ungarin im Eilverfahren Sozialhilfeleistungen zugesprochen.

Beschluss vom 12.05.2016, Az. L 7 SO 1150/16 ER-B

Die 1960 geborene Frau reiste im Februar 2015 in die Bundesrepublik ein und war hier kurzzeitig von März bis Mai 2015 erwerbstätig. Sie hält sich seit August 2015 in Freiburg auf. Ihren Lebensunterhalt hat sie teilweise mit Hilfe caritativer Einrichtungen bestreiten können. Mittlerweile ist sie obdachlos und seit September 2015 laufend in der städtischen Notübernachtung untergebracht. Ob die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet hat, ist nicht bekannt.

Beim örtlichen Jobcenter hat die Frau sich im Oktober 2015 arbeitslos gemeldet und SGB-II-Leistungen („Hartz IV“) beantragt, was jedoch vom Jobcenter abgelehnt worden ist.

Das örtliche Sozialamt hat es ebenfalls aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt, Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu gewähren. Der hiergegen gerichtete Eilantrag der Frau vor dem Sozialgericht Freiburg war erfolglos. Die Stuttgarter Richter haben nun der Beschwerde der Frau stattgegeben und das Sozialamt verurteilt, der Frau vorläufig Sozialhilfeleistungen zu gewähren. Die Frau sei mittellos und habe faktisch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik. Ein menschenwürdiges Existenzminimum müsse übergangsweise sichergestellt werden. Das Landessozialgericht hat dem Sozialamt außerdem aufgegeben, im ausstehenden Hauptsacheverfahren, ggf. mit den zuständigen Ausländerbehörden, den aufenthaltsrechtlichen Status der Frau zu klären.

Hintergrund:

Ob und in welchem Umfang EU-Bürger existenzsichernde Sozialleistungen in Deutschland beanspruchen können, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass im Hinblick auf Artikel 1 des Grundgesetzes (Schutz der Menschenwürde, Existenzminimum) Leistungen der Sozialhilfe gewährt werden können, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist nach der Rechtsprechung des BSG aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert, wenn sich das Aufenthaltsrecht des Ausländers verfestigt hat, regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Rechtsprechung ist teilweise auf Kritik gestoßen. Der Gesetzgeber hat noch für 2016 eine gesetzliche Klarstellung angekündigt.

Sozialgesetzbuch (SGB)

§ 23 SGB XII (Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer)

 

(1) Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Rechtsvorschriften, nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben unberührt.

(2) Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der Sozialhilfe.

(3) Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Sind sie zum Zweck einer Behandlung oder Linderung einer Krankheit eingereist, soll Hilfe bei Krankheit insoweit nur zur Behebung eines akut lebensbedrohlichen Zustandes oder für eine unaufschiebbare und unabweisbar gebotene Behandlung einer schweren oder ansteckenden Erkrankung geleistet werden.

(4) Ausländer, denen Sozialhilfe geleistet wird, sind auf für sie zutreffende Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken.

(5) In den Teilen des Bundesgebiets, in denen sich Ausländer einer ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider aufhalten, darf der für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Träger der Sozialhilfe nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Leistung erbringen. Das Gleiche gilt für Ausländer, die einen räumlich nicht beschränkten Aufenthaltstitel nach den §§ 23, 23a, 24 Abs. 1 oder § 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem der Aufenthaltstitel erstmals erteilt worden ist. Satz 2 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder der Wechsel in ein anderes Land zur Wahrnehmung der Rechte zum Schutz der Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes oder aus vergleichbar wichtigen Gründen gerechtfertigt ist.

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